Selten war der wortgewandte und immer höchst strukturiert arbeitende Bernhard Mayer um ein passendes Wort verlegen. Und so kann es zu Recht als ein Zeichen seiner unumgrenzten Freude gewertet werden, dass er bei der Überreichung der ihm gewidmeten Festschrift anlässlich seiner Verabschiedung als Bischöflicher Beauftragter für die Angelegenheiten der Weltkirche in Juli 2010 eingestand, er sei sprachlos. Die Sorge um die weltkirchlichen Aufgaben war seine letzte große Aufgabe. Sicher war seine Freude über die bereits 2005 erschienene Festschrift anlässlich seiner Emeritierung unter dem Titel „Lebendige Gemeinde“, herausgegeben von seiner akademischen Schülerin Prof. Dr. Maria Neubrand, genau so groß gewesen, dennoch bewahrheitet die sichtliche Freude über die zweite, weltkirchliche Publikation unter dem Titel „Eichstätter Spuren in der Welt“, herausgegeben von Michael Heberling und Mayers langjährigem Mitarbeiter im Referat Weltkirche Gerhard Rott, die Aussage von Pater Josef Schmidpeter MCCJ, der von 1994 bis 2001 mit Bernhard Mayer im Referat Weltkirche wirkte. Schmidpeter sagte bei seinem Abschied 2001 zu Mayer: „Bernhard, Du bist ein Missionar geworden!“ Als facettenreich kann das Leben und Wirken von Bernhard Mayer unbedingt bezeichnet werden, und wer glaubte, ihn gut zu kennen, war immer wieder überrascht, was der leidenschaftliche Tennisspieler und Wagner-Liebhaber noch so alles unternahm – ein Mann für alle Jahreszeiten.
Bernhard Mayer wurde am 19. September 1939 als einziges Kind seiner Eltern in Lenting geboren. Schon früh wurde vom damaligen Ortsgeistlichen seine außerordentliche Begabung erkannt und seine Förderung gezielt in Angriff genommen. Das Heranwachsen in Eichstätt prägte ihn für sein Leben, das Priesterseminar war seine zweite Heimat, den engen Bezug zu Lenting hat er dennoch nie aufgegeben, bis an sein Lebensende am 17.10.2011 wohnte der Lentinger Ehrenbürger auf dem von den Eltern geerbten Grundstück und in Lenting fand er auf seinen Wunsch hin auch die letzte Ruhe.
Nach seiner Priesterweihe am 29. Juni 1965 durch Bischof Joseph Schröffer und kurzen Erfahrungen vor allem als Kaplan in Herrieden wurde er bereits 1966 zu weiterführenden Studien an der Universität Würzburg freigestellt.
Bernhard Mayers akademische Laufbahn war sehr geradlinig. Er war von 1972 an Nachfolger von Prof. Dr. Josef Kürzinger als Professor für Neutestamentliche Wissenschaft. Er hat in dieser Zeit den Wandel von der Philosophisch-Theologischen Hochschule, über die Katholische Gesamthochschule und schließlich hin zur Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) nicht nur miterlebt, sondern unter anderem als zweimaliger Dekan der Theologischen Fakultät, langjähriges Mitglied des Senats der KU und des Fachbereichsrats bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2004 sowie als Mitglied des Eichstätter Domkapitels von 1989 bis 2010 äußerst aktiv mitgestaltet. Der Paulus-begeisterte Neutestamentler war nicht nur ein herausragender akademischer Lehrer und theologisch weitsichtiges Mitglied der Eichstätter Bistumsleitung, sondern auch ein national und international anerkannter Brückenbauer, der die weltkirchlichen Verbindungen Eichstätts über eineinhalb Dekaden aktiv und kreativ leitete. Mayer war zudem Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste und Träger des Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.
Als Professor für Neues Testament war es sein Anliegen, zu Erhalt, Aufbau und Förderung christlichen Lebens beizutragen: Dabei war es ihm unwichtig, ob seine Studentinnen und Studenten später als Religionslehrerinnen und Religionslehrer, Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten, Priester oder Bischof in der Kirche einen Dienst übernahmen. Mayer kam es darauf an, sie darauf vorzubereiten den christlichen Glauben methodisch versiert, kultiviert und intellektuell auf der Höhe der Zeit weitergeben zu können.
16 Jahre lang übernahm Mayer das verantwortungsvolle Amt des Vorsitzenden des Herausgeberausschusses der wissenschaftlichen Reihe „Eichstätter Studien“. International sehr beachtet war das von Bernhard Mayer angeregte und von seinem Lehrstuhl zusammen mit Prof. Dr. Ferdinand Rohrhirsch, damals Oberassistent am Lehrstuhl für praktische Philosophie und Geschichte der Philosophie, organisierte Symposium zu Qumran im Jahr 2000, bei dem die neuesten Forschungsergebnisse über diese einzigartigen Funde zusammen mit einigen Exponaten der „Collectio Korth“ in Eichstätt der Öffentlichkeit präsentiert wurden.
Sein Wissen um die Schriften des Neuen Testaments, und die speziell bei Paulus enthaltene Aussagekraft für die mündigen Christen heute, war die Grundlage für eine langjährige und fruchtbare Zusammenarbeit mit dem damaligen Leiter der Erwachsenenbildung im Bistum Eichstätt, Dr. Bertram Blum. Mit dem Titel „Begegnung mit der Bibel heute – Seminarkonzepte für die praktische Bibelarbeit“ wurden elf didaktisch gestaltete Bände herausgegeben. Sie fanden große Beachtung im Bereich der kirchlichen Erwachsenenbildung weit über die Bistumsgrenzen hinaus. 13 Jahre war Mayer zudem der Diözesanleiter des Katholischen Bibelwerks.
Durch die finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten, die Bernhard Mayer während seines Wirkens im Referat Weltkirche zur Verfügung standen, ergaben sich auch Synergieeffekte mit seiner Lehr- und Forschungstätigkeit an der KU. Pro Jahr förderte Mayer etwas 20 bis 30 Stipendiatinnen und Stipendiaten, die vorzugsweise an der KU, im Ausnahmefall auch an anderen Universitäten im In- und Ausland studierten. Junge Männer und Frauen unterschiedlicher Nationalität, Religion, Weltanschauung und wissenschaftlicher Fachrichtung bekamen durch die Stipendien die Möglichkeit, das Leben und Studieren an einer katholischen Universität kennen zu lernen und zugleich ihre Fachkompetenz zu verbessern. Außerdem wurde auf diese Art und Weise von Mayer die intellektuelle und internationale Öffnung an der KU lange vor jedem anderen Internationalisierungsprozess vorangetrieben. Jedes Jahr förderte das Referat Weltkirche des Bistums Eichstätt unter seiner Leitung und in der Regel in enger Absprache mit den kirchlichen Hilfswerken, deren Konferenzen und Tagungen Mayer immer als einen Ort der fachlichen Reflexion und des Austausches wertschätzte, über einhundert unterschiedliche Projekte.
Seine Bemühungen um den Aufbau tragfähiger internationaler wissenschaftlicher und weltkirchlicher Kooperationen und die dafür eingesetzten Fördermittel spiegeln sich auch in den Auszeichnungen, die er erhielt. Sowohl die russische Staatsuniversität in Tscheljabinsk als auch die Kirgisisch-Russische Slawische Universität in Bischkek (Kirgistan) verliehen Bernhard Mayer die Ehrendoktorwürde. Im Jahr 2006 ernannte ihn Kardinal Jaime Ortega aus Havanna (Kuba) aus Dankbarkeit für die langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit zum Ehrenmitglied im „Centro de Estudios de la Arquidiocesis de la Habana“. Nach seinem zweiten Kuba-Aufenthalt im Frühjahr 2011, bei dem Kardinal Ortega und Bernhard Mayer intensiv diskutierten und wie alte Freunde durch die Altstadt Havannas schlenderten, besonders aber nach dem zehnstündigen Rückflug war Bernhard Mayer am Pariser Flughafen sichtlich erschöpft. In einem letzten Kraftakt segnete er im Juli 2011 noch an der Außenmauer des Ulmer Hofes, seiner Theologischen Fakultät, eine Plakette anlässlich des 30jährigen Bestehens des Arbeitskreises Shalom, dessen weithin bekannter Menschenrechtspreis vom Referat Weltkirche immer geförderte wurde.
Die wichtigsten internationalen Kooperationspartner waren für Mayer allerdings immer die aus dem Bistum Eichstätt stammenden Missionarinnen und Missionare. Ihre Anliegen fanden bei Mayer stets ein offenes Ohr. Die Gestaltung des jährlichen Tages der Missionare um das Fest des Bistumsheiligen Willibald lag ihm sehr am Herzen. Er war schließlich einer von ihnen geworden.
Gerhard Rott