Friedrich Dörr erblickte als zweites von fünf Kindern des Bäckerehepaares Maria und Georg Dörr am 7. März 1908 im mittelfränkischen Obereschenbach, dem heutigen Wolframs-Eschenbach das Licht der Welt. Nach dem Besuch der dortigen Volksschule von 1914 bis 1918 wechselte er 1918 auf das Humanistische Gymnasium in Eichstätt. In jener Zeit sind wohl die Wurzeln seines Interesses für Literatur und klassische Sprachen zu suchen, welches er für sein späteres Schaffen so fruchtbar machen konnte. Auf Grund seiner hervorragenden Leistungen wurde Dörr von Bischof Leo von Mergel (1905-1932) 1927 zum Studium an die päpstliche Universität Gregoriana nach Rom entsandt. Zur Förderung seiner Berufung und seines zukünftigen Lebensweges als Weltpriester fand er in Rom zudem Aufnahme im Collegium Germanicum et Hungaricum. Dort zählten unter anderem der nachmalige Kardinal und Erzbischof von Wien, Franz König (1956-1985), sowie Karl Berg (1972-1988), der spätere Erzbischof von Salzburg. zu seinen Mitstudenten. Im Jahre 1930 schloss er sein Philosophiestudium mit der Verleihung des Doktorgrades der Philosophie ab. Noch während seiner Studienzeit in Rom empfing Friedrich Dörr am 29. Oktober 1933 im Beisein seiner Eltern die Priesterweihe im südamerikanischen Collegium durch Kardinal Marchetti-Selvaggiani. Mit seiner Untersuchung zu wahrer und falscher Mystik des 5. Jahrhunderts wurde er 1935 zum Doktor der Theologie promoviert. Seine Dissertation: „Diadochus von Photike und die Messalianer“ erschien schließlich 1938 im Druck.
Mit dem Ende seines Studiums endete auch Dörrs Zeit in Rom. Er verließ die Stadt 1935, um am 16. September desselben Jahres seine erste Seelsorgestelle im Bistum Eichstätt als Hauskaplan anzutreten. In der Folgezeit war er an verschiedenen Orten in der Diözese seelsorgerisch tätig, darunter in Erkertshofen, Fünfstetten, Wemding und Dietfurt, bevor er schließlich 1939 nach Eichstätt zum Dienst an St. Walburg und am Dom bestellt wurde. Für den jungen Priester waren die 30er Jahre angesichts der politischen Verhältnisse in Deutschland ebenfalls nicht gänzlich frei von Spannungen, war doch auch sein Vater, als langjähriger Bürgermeister von Wolframs-Eschenbach von den Nationalsozialisten abgesetzt und kurzzeitig in Haft genommen worden. Friedrich Dörr selbst erhielt 1940 seine Einberufung zur Wehrmacht. Während des Krieges verrichtete Friedrich Dörr seinen Dienst erst als Sanitäter und dann als Kriegspfarrer in der Sowjetunion, Kroatien und schließlich bis Kriegsende als Standortpfarrer von vier Lazaretten in Dänemark. Obwohl ihm die Möglichkeit eröffnet wurde, dem weiteren Kriegsdienst durch eine seelsorgerische Tätigkeit in der Heimat zu entgehen, wollte er aus pastoralen Gründen die Soldaten an der Front nicht verlassen: „Wenn ich gehe, wird mein Platz nicht mehr besetzt…“. Auch in Kriegszeiten blieb Dörr seinem humanistischen Wesen treu. So berichteten Weggefährten, dass er selbst an der Front stets sein griechisches Neues Testament und verschiedene Klassiker mit sich geführt habe. Die Erlebnisse dieser Jahre ließen Dörr sich auch nach dem Krieg für die Betroffenen engagieren, indem er etwa 1948 den Eichstätter Ortsverband der „Deutschen Kriegsgräberfürsorge“ gründete und Fahrten zu den letzten Ruhestätten der Gefallenen organisierte.
Als ihn nach seiner Rückkehr Bischof Michael Rackl (1935-1948) 1945 zum Professor für Systematische Philosophie und für Pädagogik an der Bischöflichen Philosophisch-Theologischen Hochschule Eichstätt, der nachmaligen Katholisch-Theologischen Fakultät ernannte, begann Dörrs Laufbahn als Hochschullehrer. Dieser Tätigkeit widmete sich Dörr über drei Jahrzehnte, davon vier Jahre als Rektor der Hochschule von 1964 bis 1968. Seinen Studenten war er bestrebt, eine Philosophie im Geiste Thomas von Aquins zu vermitteln. Noch lange nach seiner Emeritierung erinnerte man sich in Fachkreisen der großen philologischen Begabung Dörrs, insbesondere im Altgriechischen und Latein. Dass sich seine großen Sprachkenntnisse nicht auf den altphilologischen Bereich beschränkten, davon zeugte seine Übersetzertätigkeit amtlicher kurialer Dokumente und nicht zuletzt der Biographie und des Tagebuchs Johannes XXIII. aus dem Italienischen ins Deutsche. Diese Begeisterung für die Formen der Sprache sollte ihm nicht zuletzt bei seinem weiteren großen Schaffensfeld, der Neudichtung und Übertragung alten geistlichen Liedguts, zu Gute kommen. Hierbei stand er stets vor der Frage, welche alten Texte für die Menschen von heute noch fruchtbar gemacht werden könnten. Welche Hymnen lohnen einer Übertragung ins Deutsche und eine Übernahme in das künftige Gesangbuch der Gemeinden? Es musste abgewogen werden, wie die Erkenntnisse moderner Theologie in eine sprachliche Form gebracht werden können, die das aktive Singen und Beten der Gläubigen erlaubt und deren religiöse Empfindungen ebenso berücksichtigt. Als Professor Dörr 1966 in die, im Zuge des II. Vaticanums neu gegründete Liturgische Kommission der Diözese Eichstätt berufen wurde, konnte er jene Überlegungen, ebenso wie seine sprachlichen Fähigkeiten fruchtbar einbringen. Seine „sprachschöpferische Tätigkeit“, welche bereits in den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts neue Kirchenlieder entstehen ließ, konnte er schließlich in seiner Mitarbeit am neuen Stundenbuch für die katholischen Bistümer des deutschen Sprachgebietes sowie dem dazu gehörigen Diözesanproprium und dem Gotteslob von 1975, dem einheitlichen Gesangbuch aller Diözesen des Deutschen Sprachraums, fortsetzen. Neben der angemessenen theologischen Durchdringung der Lieder, richtete Dörr sein besonderes Augenmerk vor allem auf die Singbarkeit der neuen Texte. Hierfür plädierte er auch in verschiedenen Aufsätzen, die sich mit der Übertragung und Neudichtung der lateinischen Hymnen befassten. Insbesondere seine Beiträge: „Hymnar des Stundenbuches“ aus dem Jahr 1979, und „Preisungen und Gebete“ in der Festschrift für den damaligen Bischof von Eichstätt, Alois Brems (1968-1983), von 1981 sind hier zu nennen. Von seinen neu geschaffenen, beziehungsweise übertragenen Liedern fanden 14 Eingang in den Stammteil des Gotteslobs, während sich im Eigenteil für die Diözese Eichstätt über 40 Lieder Dörrs fanden. In beinahe allen übrigen deutschsprachigen Diözesen wurden ebenfalls Hymnen und Lieder aus der Feder des Dichters und Theologen aufgenommen. Im Gotteslob von 2014 finden sich im Stammteil und im Eichstätter Eigenteil noch nahe annähernd die gleiche Anzahl seiner Dichtungen. Selbst in evangelische Kirchengesangbücher fanden sie stellenweise Eingang. Dass die Rezeption und Wirkung Dörrs dichterischen und theologischen Schaffens nicht auf die Länder deutscher Zunge beschränkt blieben, zeigt sich daran, dass seine Liedtexte auch in Gesangsbüchern skandinavischer Kirchengemeinden zu finden sind. So traten zahlreiche Ordensgemeinschaften und Pfarrgemeinden an Friedrich Dörr heran und ließen ihn vielfältigste Einzeltexte verfassen. All diesen Wünschen und Bitten nachzukommen ließ ihn bis an sein Lebensende nicht von seiner Arbeit an den verschiedensten Liedtexten abkommen, wenn er noch wenige Tage vor seinem Tode Stellung zu neuen Gesangstexten und Veröffentlichungen nahm. Viele dieser Lieder ruhen noch heute unveröffentlicht im Stadtarchiv von Wolframs-Eschenbach. Seiner Heimat blieb Friedrich Dörr Zeit seines Lebens eng verbunden, sei es durch die Teilnahme an Messen, Vorträgen oder Feiern im Kreise der Familie.
Die Wolframsstadt ehrte ihn schließlich ob seiner Verdienste und steten Verbundenheit mit der Ehrenmedaille der Stadt. Zu dieser Ehrung gesellten sich im Laufe seines Lebens und Wirkens noch zahlreiche weitere. So ehrte ihn Eichstätt, der Ort seines langjährigen akademischen und seelsorgerischen Wirkens, mit der Bürgermedaille, während der Historische Verein Eichstätt Friedrich Dörr zu seinem Ehrenmitglied und der Bischof von Eichstätt ihn zum Bischöflichen Geistlichen Rat ernannte. Auch die Gesellschaft für Fränkische Geschichte zeigte sich durch Dörrs Wirken veranlasst, ihn als Wahlmitglied aufzunehmen. Auf Grund seines umfangreichen Schaffens im Bereich des geistlichen Liedguts und der Liturgie wurde er zudem von der „Sektion Künste“ der Bayerischen Benediktinerakademie zum außerordentlichen Mitglied erkoren. Die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande macht schließlich die Wertschätzung und Anerkennung deutlich, welche Dörr auch über die Grenzen seiner Heimat hinaus genoss.
Friedrich Dörr verstarb nach längerer Krankheit, für den Großteil seiner Weggefährten gleichwohl überraschend, am 13. Mai 1993 in Eichstätt. Mit seinem Namen wird stets sein dichterisches Schaffen verbunden bleiben, durch welches er aus seiner gelehrten Begeisterung für Sprache und Ausdruck heraus altes und neues Liedgut im Geiste moderner Theologie angemessen zu durchdringen suchte, um es den Menschen seiner Zeit in seiner tiefen Aussage erschließbar zu machen.
Florian Geidner