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Karljosef Schattner

Als Architekt in Diensten des Bistums Eichstätt hat Karljosef Schattner der Stadt Eichstätt eine nachhaltige Prägung verliehen. Für seine Leistungen wurde er mehrfach ausgezeichnet und für seine Verdienste geehrt.

Seine Vorfahren stammten aus Ostpreußen. Karljosef Schattner wurde am 24. 8. 1924 in Gommern bei Magdeburg geboren. Der Vater betrieb eine Baustoffhandlung. Der junge Karljosef besuchte bis 1942 die Oberschule in Magdeburg und wurde anschließend mit 18 Jahren zum Kriegsdienst eingezogen, wo er hauptsächlich an der Ostfront eingesetzt war. 1945 wurde er schwer verwundet und kam deshalb zur Pflege in ein Militärlazarett nach Ingolstadt. Dort lernte er seine spätere Ehefrau Irmingard Ried aus Eichstätt kennen. Zeit seines Lebens war er durch die Verwundung im Gesicht gezeichnet. Nach seiner Genesung absolvierte er eine kaufmännische Ausbildung in seinem Heimatort Gommern. Doch sein Traum war die Architektur. Seine Begabung für das Zeichnen konnte er immer wieder unter Beweis stellen. Er entschied sich, seiner Liebe zu folgen, und verlegte seinen Wohnsitz nach Eichstätt, wo er auch mit Irmingard Ried, die aus einer angesehenen Offiziersfamilie stammte, eine Familie gründete. Aus der Ehe ging ein Sohn hervor. Schließlich schaffte er es 1949, einen Studienplatz für Architektur an der Technischen Hochschule München zu erlangen. Seine akademischen Lehrer waren die Professoren Hans Döllgast, Martin Elsaesser, Franz Hart, Friedrich Kraus und Georg Werner. Am nachhaltigsten geprägt wurde er von Hans Döllgast, der z. B. für den damals ungewöhnlich ehrlichen Wiederaufbau der Alten Pinakothek berühmt geworden ist. 1953 konnte Schattner sein Studium mit dem Diplom abschließen und trat als Mitarbeiter in das Büro von Franz Hart in München ein. Von 1955 bis 1956 arbeitete er für das damals aufstrebende Büro von Josef Elfinger in Ingolstadt. Nachdem er in Eichstätt einige private Projekte verwirklicht hatte, wurde er von der Diözese Eichstätt mit dem Aufbau und der Leitung eines Diözesanbauamtes betraut und arbeitete als Baurat unter der Leitung des damaligen Baureferenten Domdekan Bernhard Mader. Seine wichtigste Aufgabe in den Anfangsjahren war, zusammen mit Josef Elfinger die Kollegiengebäude für die 1958 von den bayerischen Bischöfen gegründete kirchliche Pädagogische Hochschule Eichstätt zu entwerfen und zu bauen. Mit einem Anfangsbestand von zwei Personen entwickelte sich das Diözesanbauamt stetig weiter, bis es Mitte der 80er Jahre einen Personalstand von 15 bis 20 Mitarbeiter aufwies und Schattner den Rang eines Leitenden Baudirektors einnahm. Zu den Besonderheiten dieses Bauamts gehörte ein Stab von Bauhandwerkern, Maurern, Kirchenmalern und Schlossern. Von 1972 an war das Diözesanbauamt in Personalunion auch zuständig für die damals gegründete Kirchliche Gesamthochschule Eichstätt, aus der dann 1980 die Katholische Universität hervorging. 1985 wurde Schattner zum Honorarprofessor an der Technischen Hochschule Darmstadt ernannt. Seit 1987 lehrte er als Gastprofessor an der Technischen Universität München, von 1989 bis 1991 hatte er dieselbe Funktion an der ETH Zürich inne. Im selben Jahr wurde er in den Ruhestand verabschiedet. Karljosef Schattner verstarb am 10. 4. 2012 in Eichstätt. Seinen Nachlass übergab er der Architektursammlung der Technischen Universität München.

 

Karljosef Schattner erhielt im Laufe der Zeit zahlreiche persönliche Ehrungen, darunter die Heinrich-Tessenow-Medaille 1986, den Deutschen Kritikerpreis in der Architektur 1988, den Großen Architekturpreis des BDA 1990, den Kunst- und Kulturpreis der deutschen Katholiken 1994, das Bundesverdienstkreuz am Bande 1997, den päpstlichen St. Silvesterorden 2004, die Ehrenbürgerwürde der Stadt Eichstätt 2008 und die Leo-von-Klenze-Medaille 2009. Als Leiter des Diözesanbauamtes konnte er namhafte Preise entgegennehmen: den Deutschen Architekturpreis 1977, den BDA-Preis Bayern 1981 und 1983, den Architekturpreis Beton 1981.

 

Die Einzigartigkeit der Ära Karljosef Schattners in Eichstätt bestand darin, dass er bzw. sein Bauamt in einem Maße selbst planen und bauen konnte wie kaum ein anderes kirchliches Bauamt in Deutschland. Dies war selbstverständlich nur möglich aufgrund der anstehenden Aufgaben in der Kirche und der Universität und durch die großzügige Personalausstattung. So konnte er das Bauamt wie ein privates Architekturbüro führen. Er leitete es mit einem strengen Regiment. Die Mitarbeiter sowie seine Partner begegneten ihm mit großem Respekt. Es entstanden Vertrauensverhältnisse zu bestimmten Büros für Baustatik, Landschafts- und Lichtplanern und zu von ihm geschätzten Handwerksbetrieben. Auch dank seines unermüdlichen Einsatzes konnte er solche Erfolge feiern. Diese Souveränität verdankte er den Bischöfen und dem Domkapitel, die er stets mit seinen Ideen überzeugen konnte und die ihm in den fachlichen Angelegenheiten aufgrund seiner Reputation größtmögliche Freiheit gewährten. Sein Bekanntheitsgrad und sein Ansehen nahmen beständig zu. Er war vernetzt in der internationalen Architektenszene und den damals bekanntesten Büros, z. B. in der Schweiz und in Skandinavien. Er wurde zu Jury-Sitzungen, Kolloquien und Vorträgen im ganzen Land eingeladen. Inspirationen holte er sich auf ausgedehnten Studienreisen durch Europa und die USA. Natürlich konnte er mit seinem Büro nicht alle Planungen allein bewerkstelligen. Als Baureferent der Diözese und der Universität gelang es ihm, für anspruchsvolle Bauprojekte renommierte Architekturbüros zu gewinnen, die ein hohes Niveau der Architektur sicherstellten. So finden sich Werke von Alexander Freiherr von Branca, Werner Wirsing, Josef Elfinger, Winfrid und Peter Leonhardt, Gottfried Böhm, Franz Kießling, Eberhard Schunck, Günther Behnisch und vielen anderen mehr auf dem Gebiet der Diözese Eichstätt.

 

Eine Auswahl aus dem Werkverzeichnis:

1959-1961 Studentinnenheim Maria Ward, Eichstätt (mit Josef Elfinger)

1960-1965 Kollegiengebäude der Universität am Hofgarten, Eichstätt (mit Josef Elfinger)

1963-1965 Staats- und Seminarbibliothek, Eichstätt

1963-1965 Pfarrkirche Heilige Familie, Eichstätt

1965-1966 Umbau der ehem. Domdechantei für das Bischöfliche Ordinariat, Eichstätt

1967-1969 Schülerheim St. Richard, Eichstätt

1968-1970 Filialkirche St. Andreas, Etzelwang

1970-1971 Umbau des Bischöflichen Palais, Eichstätt

1971-1974 Umbau der ehem. fürstbischöflichen Sommerresidenz, Eichstätt

1972-1975 Filialkirche St. Andreas, Adelschlag

1973-1974 Wohnhäuser für Bedienstete der Universität, Eichstätt

1973-1976 Umbau der Willibaldsburg für das Juramuseum, Eichstätt

1976-1978 Umbau der Domdechantei, Eichstätt

1978-1980 Bürogebäude an der Ostenstraße für die Universität, Eichstätt

1978-1980 Umbau des Ulmer Hofs für die Theologische Fakultät der Universität, Eichstätt

1979-1981 Umbau der ehem. Hofstallung für das Studentenzentrum, Eichstätt

1979-1982 Umbau des Kipfenberger Speichers für das Diözesanmuseum, Eichstätt

1981-1984 Umbau des Bischöflichen Seminars und Neubau des Alumnats, Eichstätt

1985-1987 Neubau für den Lehrstuhl für Journalistik, Eichstätt

1985-1988 Umbau des ehem. Waisenhauses für die Institute für Psychologie und Journalistik, Eichstätt

1986-1988 Neubau der Mensa, Eichstätt

1987 Eingangsbereich des ehem. Arsenals für die Biennale, Venedig

1987-1992 Anbau an das Schloss Hirschberg, Beilngries

1993 Magazingebäude für das Diözesanarchiv, Eichstätt (Grundkonzept)

 

Als privater Architekt baute Schattner einige Wohnhäuser für Personen aus seinem Bekanntenkreis, zumeist in Eichstätt.

 

Schattners Oeuvre ist demnach stark in der Stadt Eichstätt konzentriert. Die Innenstadt ist ein barockes Gesamtkunstwerk, das neben den Kirchen aus bischöflichen Prunkbauten und einer ungewöhnlich großen Zahl an Domherrenhöfen besteht. Er hat wie seine Vorgänger im Amt aus der Barockzeit die Stadt geprägt. Schattner erkannte und analysierte die städtebaulichen Eigenheiten seiner Heimatstadt, die er sehr schätzte. Er entwickelte sich immer mehr zu einem Spezialisten für Umbau und Umnutzung von historischer Bausubstanz. Durch seine Ideen hat er viele Bauten vor dem Verfall bewahrt. Aufgrund seines architektonischen Selbstverständnisses blieb die Zusammenarbeit mit den Denkmalschutzbehörden und mit Wissenschaftlern nicht ohne Spannungen. Da Architektur die Kunstgattung ist, die die größte Relevanz in der Öffentlichkeit einnimmt, legte Schattner großen Wert auf eine gediegene fachliche Vermittlung in den Medien. Er ließ die Bauten nach der Fertigstellung von renommierten Fotografen dokumentieren und er schaffte es, dass ab ca. 1980 Fachzeitschriften regelmäßig über seine großen Projekte berichteten. Die erste umfassende Publikation zu seiner Person war der 1983 erschienene Band der Reihe Reißbrett von Ulrich Konrads und Manfred Sack. Sowohl in der Architektenschaft als auch in der gesamten Gesellschaft entwickelten sich regelmäßig kontroverse Diskussionen. Die Bevölkerung Eichstätts reagierte größtenteils mit Unverständnis auf diese für sie ungewohnte Architektur. Am deutlichsten schlug sich dies in zahlreichen Leserbriefen in der Tageszeitung nieder. An der schmucklosen nüchternen Betonfassade des Bürogebäudes in der Ostenstraße wurde der Unmut sogar mittels Graffiti ausgedrückt.

 

Karljosef Schattners Arbeiten war geprägt von den Begriffen des Schichtens und der Fuge. Zeitliche Schichtungen wollte er sichtbar werden lassen, und das Aufeinandertreffen von Alt und Neu wurde stets markiert durch eine räumliche Distanz, häufig überbrückt mit dem Werkstoff Glas. Im historischen Kontext nahm er für sich die Charta von Venedig von 1964 als Maßstab: Seine Ergänzungen sind klar und eindeutig abzulesen, in Form und Material. Er war ein Verfechter des Neuen Bauens, das überwiegend die Werkstoffe Beton, Stahl und Glas einsetzte. Er verwandte viel Sorgfalt auf die Entwicklung von Details. Diese, sowie die Räume wurden im Modell ausprobiert. Jedes Detail wurde akribisch neu entwickelt und diskutiert, bevor die Umsetzung erfolgte. In Schattners bzw. Eichstätts Umfeld wurden für anspruchsvolle Arbeiten über die Jahre Handwerksbetriebe herangezogen, die speziell seine Vorstellungen umsetzen konnten.

Stilistisch wurde Karljosef Schattner abgesehen von seinen akademischen Lehrern vor allem beeinflusst von Carlo Scarpa. Von diesem übernahm er den spannungsreichen Kontrast zwischen alter und neuer Substanz. Bewundert wurden von ihm die Arbeiten spanischer, skandinavischer und Schweizer Architekten. In Schattners Architektur finden sich viele Anspielungen auf die historische Architektur, die er in seinem Sinne interpretiert und umsetzt. Er verstand die Prinzipien barocker Architektur und, nachdem er diese analysiert hatte, reagierte er mit seinen Mitteln darauf. In den Nachkriegsjahren orientierte sich sein Stil an einer regional geprägten Nachkriegsmoderne. Die Kollegiengebäude der Universität sind strenge Kuben aus Betonskelett, das mit dem heimischen Jura-Bruchsteinmaterial ausgemauert ist. Dann kam es sogar zu einer Phase, in der kräftige Signalfarben eine Rolle spielten, z. B. bei der Kirche in Adelschlag. In Schattners Architektur spielt stets die Lichtführung eine große Rolle. Dadurch konnte er richtig inszenieren. Er operierte gerne mit indirektem Licht. Dann üben die Bauelemente eine optische Leichtigkeit aus. Wenn er z. B. in einen hohen Raum eine massive Betontreppe einstellt, ist diese allseitig von der Wand gelöst und verliert dadurch ihre Wucht. Er verwirklichte konstruktiv gewagte Lösungen, z. B. eine frei stehende Wandscheibe als zweite Fassade. Seine Maxime war es, nichts industriell Vorgefertigtes zu verwenden. Für jedes Projekt wurden sämtliche Details immer wieder neu entwickelt. Dadurch wurden natürlich die Planungsprozesse in die Länge gezogen.

 

Mittlerweile genießen viele Werke Karljosef Schattners den Status eines Kulturdenkmals. Sie werden aber auch an die heutigen Anforderungen angepasst. Sein 100. Geburtstag wurde im Jahr 2024 angemessen gefeiert. Das Jubiläum wurde gemeinschaftlich getragen von der Diözese, der Stadt und der Katholischen Universität. Es fand ein großer Festakt statt, in der Presse erschien eine Serie fachlicher Beiträge, die Bauwerke wurden für Interessierte zugänglich gemacht, und das Domschatz- und Diözesanmuseum präsentierte in einer Sonderausstellung Fotografien von Klaus Kinold.

 

Emanuel Braun

Veranstaltungen und Termine

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Mittwoch, 12. Februar
18.00 Uhr
Festakt: Berufung zu Ehrenmitgliedern des Eichstätter Diözesangeschichtsvereins
Ort: Bischöfliches Seminar St. Willibald, Saal "Thomas von Aquin" (F 104, 1. OG)

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