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Konrad Graf von Preysing

Konrad von Preysing wurde am 30. August 1880 auf Schloss Kronwinkl bei Landshut geboren. Er war das vierte von elf Kindern aus der Ehe des Grafen Kaspar von Preysing (†1897) mit Hedwig Gräfin von Walterskirchen (†1938). Der Vater war Zentrumspolitiker und vertrat den Wahlreis Landshut von 1882 bis 1890 im Reichstag. Die Mutter Preysings, die vor ihrer Heirat Ehrendame am kaiserlichen Hof in Wien gewesen war, unterstützte die sozial-karitative Tätigkeit des Katholischen Frauenbundes. Konrad von Preysing verbrachte seine Gymnasialzeit in Landshut. Da an der Schule in religiöser Hinsicht eine „eiskalte Atmosphäre“ (Schwerdtfeger 15) herrschte, behielt er diese Zeit nur in unguter Erinnerung.

Jurist, Diplomat, Priester – Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in München und Würzburg (1898-1902), „mit Auszeichnung“ bestandenem Staatskonkurs (1905) und einer kurzen Zeit in einer Münchener Anwaltskanzlei trat er 1906 als Ministerialpraktikant in das Bayerische Staatsministerium des Äußeren ein. Ein Jahr später wechselte er als Legationssekretär an die bayerische Gesandtschaft beim Quirinal, schied aber noch vor Ende des ersten Jahres auf seinem Auslandsposten aus dem diplomatischen Dienst aus. Wie schon zuvor seine Brüder Albert (†1946) und Joseph (†1961) entschied er sich für das Priestertum.

Preysing wählte für das Theologiestudium (1908-1912) die Universität Innsbruck. Nach der Priesterweihe (1912) und der Promotion zum Doktor der Theologie (1913) kehrte er in sein Heimatbistum München zurück und diente Erzbischof Franz von Bettinger als Sekretär. Nach dem plötzlichem Tod des Erzbischofs am 12. April 1917 übernahm Preysing die Stelle eines Predigers an der Münchener Stadtpfarrkirche St. Paul. Auf Bitten von Bettingers Nachfolger, Michael von Faulhaber (†1952), trat er im August 1918 in Bern die Stelle eines Feldoberpfarrers für die in der Schweiz internierten deutschen Austauschgefangenen an, konnte aber bereits im November 1918 wieder nach München zurückkehren. Der Ruf, den er sich in den folgenden Jahren an St. Paul durch seine nüchternen und gründlich ausgearbeiteten Homilien erwarb, trug ihm 1921 die Ernennung zum Domprediger in München ein. Preysing hatte ein starkes historisches Interesse; für die „Bibliothek der Kirchenväter“ übersetzte er die „Philosophumena“ Hippolyts von Rom († um 235) aus dem Griechischen ins Deutsche. Einem größeren Leserkreis wurde er in den 20er und 30er Jahren durch die Übersetzung aszetischer Schriften des englischen Oratorianers Frederick William Faber (†1863) bekannt.

Domkapitular in München – Papst Pius XI. (†1939) berief Preysing 1928 in das Münchener Domkapitel. In der Bistumsverwaltung übertrug ihm Kardinal Faulhaber das noch junge Referat für Presse, Film und Funk. Zu seinem Zuständigkeitsbereich im Ordinariat gehörte auch die Pflege der Beziehungen zu den staatlichen Stellen. Daneben war er im katholischen Vereinswesen als Präses tätig, erteilte Konvertitenunterricht und hielt Exerzitien. Bestimmend für den Lebensweg Preysings wurde seine Freundschaft mit Nunitus Eugenio Pacelli, dem späteren Papst Pius XII. (†1958). Pacelli, der den Hl. Stuhl seit 1917 in München und seit 1920 zugleich in Berlin vertrat, suchte die Personenkenntnis Preysings zu nutzen. Er zog ihn zur Mitarbeit in der Münchener Nuntiatur heran und ließ sich bei offiziellen Anlässen von ihm begleiten, so bei der Übergabe seines Beglaubigungsschreibens an Reichspräsident Friedrich Ebert (†1925) am 30. Juni 1920 in Berlin. Pacelli und Preysing waren geistesverwandte Charaktere. Beide verbanden hohe Intelligenz, nüchterne Wirklichkeitserfassung und ungekünstelte Frömmigkeit mit einer einfachen Lebensführung. Die Wertschätzung Pacellis, der 1930 zum Kardinalstaatssekretär aufstieg, führte Preysing wenige Jahre später auf den bischöflichen Stuhl von Eichstätt und von dort nach Berlin.

Bischof von Eichstätt – Papst Pius XI. ernannte Preysing am 9. September 1932 zum Bischof von Eichstätt. Die Bischofsweihe empfing der 75. Nachfolger des hl. Willibald am 28. Oktober 1932 aus den Händen des Bamberger Erzbischofs Jacobus von Hauck (†1943), dem die Bischöfe von Würzburg und Passau assistierten. „In verbo Tuo laxabo rete. Auf Dein Wort hin will ich das Netz auswerfen“ (Lk 5,5) lautete der Wahlspruch des neuen Bischofs, dessen erstes Hirtenwort in deutlichen Worten auf die wirtschaftliche Not der Zeit einging und die Gläubigen zur Einheit mit ihrem Oberhirten aufrief.

„Principiis obsta!“ – Die bischöfliche Amtszeit Preysings war geprägt von der Auseinandersetzung mit den totalitären Ideologien des 20. Jahrhunderts, zunächst mit dem Nationalsozialismus und später mit dem Kommunismus. Auf die Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 reagierte der Bischof mit den Worten: „Wir sind in den Händen von Verbrechern und Narren.“ (Adolph, Diktaturen 16) Einen „Brückenschlag“ zwischen Kirche und Nationalsozialismus, für den Vizekanzler Franz von Papen (†1969) warb, lehnte Preysing dezidiert ab. Dem Reichskonkordat vom 20. Juli 1933 stand er anfangs skeptisch gegenüber, da er die Vertragstreue der Reichsregierung grundsätzlich bezweifelte. Solche Zweifel waren begründet, wie der in Bayern schon früh einsetzende Kirchenkampf zeigte. Allerdings erwies sich das Konkordat auch für Preysing schon bald als unentbehrliche, da völkerrechtlich abgesicherte Berufungsinstanz gegenüber der systematischen Verletzung kirchlicher Rechte durch das Regime. Nach dem Grundsatz: „Principiis obsta! – Wehre den Anfängen!“ rief Preysing den Episkopat dazu auf, kirchliche Rechte nicht kampflos preiszugeben. Er warnte die Bischöfe vor einem Bekenntnis zum „neuen Staat“, da im nationalsozialistischen Deutschland eine klare Trennung von Partei und Staat nicht möglich sei. In Brief und Gespräch beschwor er die Einheit des Episkopats, riet zu gegenseitiger Information und gemeinsamem Handeln und rief zum Schulterschluss mit dem Hl. Stuhl auf. In der Politisierung des Klerus und der Theologiestudenten sah Preysing eine existentielle Gefahr für die Kirche. Eine Zeit lang konnte er Propaganda und Indoktrination von den Eichstätter Seminaristen fernhalten. Er wehrte sich erfolgreich gegen die Einberufung der Seminaristen zu einem „freiwilligen“ Arbeitsdienstjahr. Nach Verhandlungen mit Kardinal Pacelli sah die Reichsregierung im Dezember 1933 von der Verpflichtung der katholischen Theologiestudenten zur Teilnahme am „SA- und Arbeitsdienst“ ab. Allerdings musste Preysing im Juni 1935 hinnehmen, dass die gesetzliche Verpflichtung aller 18- bis 25-Jährigen zum „Reichsarbeitsdienst“ diesen Schutzwall wieder durchbrach.

Absage an die NS-Ideologie – Preysings Hirtenworte stellten den Gegensatz zwischen nationalsozialistischer Ideologie und christlichem Glauben klar heraus. Es ging dem Bischof darum, den Gläubigen Kriterien zur Scheidung der Geister zu geben und sie gegen den Einfluss einer Ideologie zu immunisieren, die alle Lebensbereiche zu durchdringen versuchte. Ein Gedanke, der in der Verkündigung Preysings immer wiederkehrte, war der des Rechts. „[W]as wir auf Erden Recht nennen, kann es nur sein in Abhängigkeit vom höchsten Rechte Gottes; es ist Recht nur insoweit, als es sich von ihm herleitet“, hieß es in seinem Fastenhirtenwort vom 14. Februar 1933. Auch die Regierenden seien dem „Herrscherrecht“ Gottes unterworfen. Dem Götzen des Staates, der selbst Recht schafft, war damit eine Absage erteilt. Der Bischof warnte in demselben Hirtenwort vor dem Kult von „Volkstum, Rasse und Blut“, der das Gottesbild vieler Christen zu verdunkeln drohe. Es spreche für die „tiefe Verwirrung der Geister“, dass Warnungen des kirchlichen Lehramtes vor „derartige[n] Lehren“ „vielfach kein Gehör gefunden“ hätten. In seinem Hirtenwort vom 27. Mai 1934 setzte der Bischof den nationalistischen Parolen und dem „Rasse“-Gedanken des Nationalsozialismus das Bild von der Kirche als weltumspannender Völkergemeinschaft entgegen, in der alles Trennende durch den gemeinsamen Glauben überwunden sei. In seinem letzten Eichstätter Fastenhirtenwort (24. Februar 1935) verglich der Bischof den Kirchenkampf in Deutschland mit dem Vernichtungskampf, der in Russland und Mexiko gegen die Kirche geführt wurde. Er sprach explizit vom „Antichristentum“ der nationalsozialistischen Ideologie und warnte, dass der Kult des „Uebermenschentum[s]“ unweigerlich zum Verlust des „Menschliche[n]“ führe.

Offener Protest – Preysing war nach eigenem Bekunden keine kämpferische Natur, doch wich er Konflikten mit der NSDAP und den von ihr kontrollierten Behörden nicht aus, wenn er die Rechte der Kirche bedroht sah. Bei einer Reihe lokaler Konflikte brachte er seinen Protest durch öffentlichkeitswirksame Gesten zum Ausdruck. Als er auf einer Firmreise nach Ingolstadt die Nachricht erhielt, dass die Behörden den Verzicht auf einheitliche Kleidung zur Bedingung für den Aufmarsch der katholischen Vereine gemacht hatten, sagte er die Teilnahme an einem Empfang der Stadt kurzfristig ab. Nach der Schändung einer Christusfahne durch die Eichstätter „Hitlerjugend“ wenige Tage vor dem Fronleichnamsfest 1934 und dem Verbot für katholische Vereine, mit ihren Fahnen an der Fronleichnamsprozession teilzunehmen, verlegte Preysing die Prozession in das Innere des Willibaldsdomes. Den katholischen Jugendvereinen stärkte er im Kampf gegen die „Hitlerjugend“ den Rücken. Die Jugendlichen honorierten die Haltung ihres Bischofs wiederholt mit Ovationen. Reaktionen von nationalsozialistischer Seite blieben nicht aus. Die SA rächte sich, indem sie 1934 bei einem Treffen in Eichstätt ein Bild des Bischofs zerschoss. Im folgenden Jahr wurde einer der Fronleichnamsaltäre in der Bischofsstadt zerstört. Preysing scheute sich auch nicht, in der Öffentlichkeit ein Zeichen gegen den Antisemitismus der Nationalsozialisten zu setzen. Als die Familie des jüdischen Justizrates Salomon Haenlein (†1935) aus Eichstätt eine Einladung in das Bischöfliche Palais ausschlug, um den Bischof nicht in Schwierigkeiten zu bringen, reagierte Preysing mit den Worten: „Wenn Sie nicht zu mir kommen, muss ich zu Ihnen kommen.“ (Adam, Preysing Lebensbild 20) Er besuchte die Familie daraufhin in vollem Ornat und in Begleitung seines Sekretärs.

Eichstätter „Freundschaftsbund“ – Preysing hielt Kontakt zum Eichstätter „Freundschaftsbund“, der von seinen Gegnern wegen seiner Nähe zu Therese Neumann (†1962) auch „Konnersreuther Kreis“ genannt wurde. Zu dem Kreis gehörten u.a. der Kapuzinerpater Ingbert Naab (†1935), der Konvertit und Herausgeber der Zeitung „Der gerade Weg“, Fritz Gerlich (†1934), Fürst Erich von Waldburg-Zeil (†1953), dessen Generalbevollmächtigter Simon Schorer (†1990), die Eichstätter Hochschulprofessoren Franz Xaver Wutz (†1938) und Joseph Lechner (†1954) sowie Benedicta von Spiegel (†1950), die Äbtissin der Eichstätter Benediktinerinnenabtei St. Walburg. Die in diesem Kreis gewachsene Überzeugung, dass der Christ dem NS-Regime und seiner Ideologie kompromisslos widerstehen müsse, teilte Preysing voll und ganz.

Der Bischof schätzte die Lage des Bistums Eichstätt in den ersten Jahren unter der nationalsozialistischen Herrschaft als ambivalent ein. Einerseits habe der Nationalsozialismus in den katholischen Gegenden des Bistums nur schwer Fuß fassen können; in den Dörfern – so erinnerte er sich später – sei in der Regel der Dorflump Ortsgruppenleiter geworden. Andererseits waren selbst die „einfachen Verhältnisse von Eichstätt“ (Adolph, Diktaturen 23) nach Preysings Einschätzung bereits 1935 so schwierig, dass er in einem Brief an Kardinal Pacelli bezweifelte, ob er der Lage noch gerecht werden könne. Rückhalt fand der Bischof bei seinen Diözesanen. Die 900-Jahr-Feier der Gründung der Abtei St. Walburg führte im Mai 1935 über 50 000 Pilger nach Eichstätt und wurde so zu einer Demonstration kirchlichen Selbstbehauptungswillens.

Dienst am Bistum – Preysing hatte im Bistum Eichstätt eine „Aufgabe und eine Lebensatmosphäre [vorgefunden], die vollständig seinem Wesen entsprach“ (Ebd. 17). Obwohl zurückhaltend und gegenüber Auftritten in der Öffentlichkeit abgeneigt, „hat er doch Kontakte zu den Menschen gesucht und gefunden“. Humorvoll, persönlich anspruchslos und natürlich im Auftreten war er in Eichstätt bald populär. Er war Bischof „mit der ganzen Bereitschaft, seinem Bistum zu dienen“. „An jedem Ort, wohin ihn bischöfliche Amtshandlungen führten, hat er alle Kranken besucht. Seine Anwesenheit ist nicht auf Kirche und Pfarrhaus beschränkt geblieben“ (Schröffer 1f.) Preysing setzte sich für eine zeitgemäße, von aller Enge befreite Seelsorge ein. Da er in der Bistumspresse ein unverzichtbares Instrument moderner Seelsorge sah, gründete er 1934 den St. Willibalds-Boten. Joseph Schröffer (†1983) beschrieb das Verhältnis des Bischofs zu den Professoren der Eichstätter Hochschule aus eigenem Erleben als ungezwungen und freundschaftlich. Preysing war ein kunstsinniger Mensch. Der Abtei St. Walburg eng verbunden, suchte er die künstlerischen Aktivitäten des Konvents für sein Bistum zu nutzen. Eine der ersten Amtshandlungen Preysings war die Eröffnung des diözesanen Informativprozesses zur Seligsprechung des Ingolstädter Jesuitenpaters Jakob Rem (†1618). Im Juni 1935 konnte er die Gebeine Rems in die Kapelle der „Mater Ter Admirabilis“ im Ingolstädter Münster überführen lassen. Der Kürze der Eichstätter Amtszeit Preysings ist es zuzuschreiben, dass manche seiner Vorhaben erst unter seinem Nachfolger Michael Rackl (†1948) zum Abschluss kamen.

Nach dem plötzlichen Tod des Berliner Bischofs Nikolaus Bares am 1. März 1935 setzte Kardinalstaatssekretär Pacelli den Wechsel Preysings nach Berlin durch. Den Einwand Preysings, dass er für die Aufgabe in Berlin nicht nervenstark genug sei, ließ Pacelli nicht gelten. Auch Warnungen von Parteiseite an die Reichskanzlei, dass Preysing wegen politischer Unzuverlässigkeit die vom Reichskonkordat vorgesehene Unbedenklichkeitserklärung von Regierungsseite verweigert werden müsse, konnten den Wechsel Preysings nicht mehr verhindern. Am 5. Juli 1935 vollzog Papst Pius XI. die Ernennung Preysings zum dritten Bischof von Berlin. Preysing verließ Eichstätt nur ungern; „[i]hr wisst, dass es mir schwer fällt, von Eichstätt zu scheiden“ (Schwerdtfeger 58), sagte er bei der Abschiedskundgebung im Willibaldsdom zu den Gläubigen. Die in Eichstätt verbrachten Jahre bezeichnete er später als die glücklichste Zeit seines Lebens.

Stephan Adam

Bischof von Berlin – Würdigung
Zeittafel
Joseph Schröffer über Konrad von Preysing
Quellen und Literatur