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Dr. Siegfried Hofmann

Siegfried Hofmann, der erste Vorsitzende des Eichstätter Diözesanrates, Gründungsmitglied des EiDGV und Ingolstädter Historiker, wurde am 13. Februar 1930 in Nürnberg geboren, verbrachte seine Kindheit in Kinding/Altmühltal und besuchte die Oberschule in Eichstätt. Von 1951-1956 studierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München Historische Hilfswissenschaften, Bayerische Geschichte, Geschichte und Theologie. Bei dem Archivar und Historiker Hans Rall promovierte Hofmann zum Dr. phil. mit einer umfangreichen Dissertation über „Urkundenwesen, Kanzlei und Regierungssystem der Herzoge von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214 bis 1255/1294“. Anschließend besuchte er die Archivschule München, die er 1960 mit der Staatsprüfung für den höheren Archivdienst abschloss. Ab 1. Juli 1960 leitete er in Ingolstadt Stadtarchiv, Wissenschaftliche Bibliothek und Schlossmuseum (wie es damals noch hieß), bis er 1994 in den Ruhestand trat.

Seine Berufsanfänge fielen in eine schwierige Zeit. Da für das Bayerische Armeemuseum das Neue Herzogsschloss vorgesehen war, begann 1965 die Auslagerung des Archivs in das damalige Seuchenlazarett beim Kreuztor (Friedhofstr. 2 1/2); die Absicht, das Archiv in den Keller des Neuen Rathauses zu stecken, konnte abgewendet werden. Vom Seuchenlazarett wanderte es 1968 in das ehemalige Gaswerk und die Städtischen Werke an der Esplanade. Das Archiv drohte im Bewusstsein von Stadt und Bevölkerung zu verschwinden. Dem rastlosen Einsatz und der immensen Arbeitsleitung Siegfried Hofmanns (der über Monate hin Wochenend-Aufsätze zum Thema „Ingolstädter Geschichte“ verfasste) war es zu verdanken, dass das Archiv nicht vergessen wurde und 1975 im neurenovierten Kavalier Hepp eingerichtet werden konnte. 1981 wurde das Stadtmuseum neu eröffnet. Die Gesamtkonzeption trägt Hofmanns Handschrift, mit der Eröffnung der Abteilung „Vom Handwerk bis zur Industrialisierung“ war der Ausbau 1992 abgeschlossen worden.

1961 wurde Siegfried Hofmann zum Stadtheimatpfleger bestellt. Dieses Ehrenamt, das er bis 1994 ausfüllte, war ihm ein besonderes Anliegen: Als Historiker fühlte er sich für die Entwicklung Ingolstadts verantwortlich. Zur Erhaltung historischer Bausubstanz konnte er kämpfen, etwa bei geplanten Abbrüchen von Stadtmauerbereichen beim Christoph-Scheiner-Gymnasium, bei der Renovierung des Ickstatthauses oder zur Erhaltung der Festungsanlagen der klassizistischen Festung. Hinzu kommt sein unvergessenes Engagement als Kulturreferent der Stadt Ingolstadt von 1981 bis 1994. 1971 wurde er zum 1. Vorsitzenden des seit 1865 bestehenden Historischen Vereins Ingolstadt gewählt. Er führte bis 1997 mit Vorträgen, Exkursionen und wissenschaftlichen Publikationen den Verein auf eine neue Höhe und wurde sein Ehrenmitglied. Weiterhin war Siegfried Hofmann von 1971 bis 1990 der 2. Vorsitzende der Gesellschaft der Freunde und Förderer des Deutschen Medizinhistorischen Museums Ingolstadt; auch hier wurde er 1990 zum Ehrenmitglied ernannt. Der Eichstätter Diözesangeschichtsverein hat mit ihm sein erstes Gründungsmitglied verloren.

Zahlreiche Vorträge zur Stadtgeschichte und eine Unmenge von Führungen hielten ihn nicht von seinem besonderen Anliegen ab, der Forschung zur Stadtgeschichte.  Für diese Aufgabe verwendete er in immer größerem Maße auch seine Freizeit. Neben zahlreichen Aufsätzen, seit 1964 ca. 70 im „Sammelblatt des Historischen Vereins Ingolstadt“, ca. 90 (seit 1960) in den „Ingolstädter Heimatblättern“ und weitere in anderen Zeitschriften, sind insbesondere zu nennen das große zweibändige INGOLSTADT-Werk, das er 1974 zusammen mit Prof. Dr. Theodor Müller und Dr. Wilhelm Reissmüller herausbrachte. Diesem grundlegenden Werk gesellte sich 1981 der Band über die Bilddokumente der Stadt und 1986 als Band IV ein umfangreicher Bildband über Ingolstadt mit teilweisen Quelleneditionen hinzu. 1986 war von ihm und Dr. Gerd Treffer der Band über Cosmas Damian Asam und die Kirche Maria de Victoria erschienen. 1988 stellte er ein umfängliches Buch mit historischen Ansichten Ingolstadts vor. Daneben erschienen als Quellenedition die Urkunden zum Hl. Kreuz, die Quellenbände Urkunden des Hl. Geist-Spitals sowie die Urkunden des Rates der Stadt.

Seiner Initiative ist es zu verdanken, dass sowohl das Grabungsbüro des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege als auch die Forschungsstelle Manching, Außenstelle der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts, nach Ingolstadt kamen.
Tatkräftig unterstützte Dr. Hofmann den Ausbau der Anatomie zum Deutschen Medizinhistorischen Museum und der Donaukaserne zum Museum für Konkrete Kunst.

Als nach dem Konzil der Diözesanrat der Diözese Eichstätt gebildet wurde, wählte er Siegfried Hofmann 1968 zu seinem Ersten Vorsitzenden. Dieses Amt hatte er bis 1971 inne. In dieser ersten Wahlperiode mussten Satzungen und Ordnungen erarbeitet werden, auch für die Pfarrgemeinderäte. So wichtig diese Arbeit war, so bedauerte er doch den erdrückenden Aufwand, der von einer inhaltlichen Arbeit abhielt, die er in der Beratung und Unterstützung der apostolischen Tätigkeit der Kirche sah. Den „Glaubenssinn des ganzen Volkes“ galt es ihm in der Kirche zu reflektieren und zusammenzuhalten; das Handeln im gesellschaftspolitischen Raum sah er als Konsequenz dieses Grundanliegens. Die spezielle Sicht der Laien mit ihrer spezifischen Stimme sollte durch Laiengremien (nicht nur in synodalen Gremien unter geistlich-amtlicher Leitung) Raum und Gehör finden. Vor allem wünschte er, dass sich eine spezifische „Laienspiritualität“ entwickeln könne,  aus der heraus sich die Laien ihrem „Weltauftrag“ stellen.     

Hofmanns reiches und fruchtbares gesellschaftliches Engagement wurde in mehreren Ehrungen gewürdigt. Schon 1974 wurde er in den regionalen Planungsbeirat berufen. Im Januar 1982 erhielt er die Medaille des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus für besondere Verdienste um den Denkmalschutz. Die Römisch-Germanische Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts wählte ihn 1983 zum korrespondierenden Mitglied. Im Juni 1987 erhielt er wegen seiner wissenschaftlichen Leistungen vom Verband der Bayerischen Geschichtsvereine die „Aventinus-Medaille“. Das Bundesverdienstkreuz am Bande wurde ihm 1987 verliehen. 1992 folgte die Bezirksmedaille in Silber. 2006 wurde er zusammen mit Dr. Theodor Straub Ingolstädter Kulturpreisträger, seine Stadt ehrte ihn mit der Goldenen Bürgermedaille.

Dr. Siegfried Hofmann starb nach längerer Krankheit am Reformationstag des Jahres 2014. Viele schmerzt es, seine Stimme nicht mehr hören zu können. Wer ihn erlebt hat, war fasziniert von seiner Präsenz, dem Fluss seiner Rede, seiner Gedanken und Analysen. Vor den Augen der Zuhörer und Leser entstand ein komplexes historisches Gemälde, das fesselte und staunen ließ. Und es ist schwer vorstellbar, dass dieser Mann nicht mehr auftreten wird, der mit bayerisch gefärbter Stimme in weichen und harten Worten Themen erörterte, die ihn beschäftigen: Kultur in ihrer umfassenden Bedeutung, sein Universalthema ohne explizite Differenzierungen in Teilbereiche. Mit einem großen Pinsel zeichnete Siegfried Hofmann die universalen und lokalen Begebenheiten, bettete sie ein in das Gedankengut der damaligen Zeitgenossen, spürte ihren Ideen nach und verdeutlichte viele historische Entwicklungen aus der Kraft der Worte.

In seinem Lebenslauf spiegeln sich die Brüche der Zeit, die seinen speziellen, distanzierten Blick auf die Geschichte formten. Das Erleben des Dritten Reiches, seine tiefe Religiosität und die sich daraus entwickelnden Konflikte haben sicher Einfluss gehabt auf seine Zurückhaltung, Themen der Zeitgeschichte in seinen Forschungskanon aufzunehmen. Umso breiteren Raum nahmen die Epochen des frühen bis späten Mittelalters, der frühen Neuzeit in seinem Spektrum ein. Die Liste seiner Veröffentlichungen ist außergewöhnlich lang. In kaum nachvollziehbaren Dimensionen vollzog sich sein Urkunden- und Aktenstudium der Ingolstädter Geschichte, gemäß dem Motto seines Doktorvaters Hans Rall, dass sich das „erweislich Wahre“ nur in den Akten findet. Studium und Analyse der Quellen führten ihn in viele Archive, ließen ihn Einblicke nehmen in vergessene Ereignisse, brachten erstaunliche Querverweise zutage. Das große Ganze und das kleine Detail wurden in seinen Reden und Schriften zu einem schillernden Teppich verwoben. Die Lektüre war nicht einfach, manche Gedankengänge bedurften einer mehrmaligen Lektüre.

Dr. Hofmann zeichnete ein universales Wissen und Verstehen aus. Seine Lektüre war breit gestreut von Lyrik über Prosa bis zu zeitgenössischen Traktaten. Vor allem die Werke der Jesuiten standen im Vordergrund seines Interesses, und das Wirken dieses Ordens machte er zum Inhalt einer großen Ausstellung und eines fundierten Kataloges. Eine bewundernswerte Energie feuerte ihn an, bis ins hohe Alter, ja bis kurz vor seinem Tod Forschung zu betreiben, über Fernleihe Bücher zu bestellen und sie sich ins Krankenhaus bringen zu lassen. Im milden Licht seiner großen Schreibtischlampe saß Dr. Hofmann über viele Manuskriptseiten gebeugt. Viele Stapel lagen um ihn herum und er schrieb mit schneller Hand seine berühmten, nur Eingeweihten lesbaren Textseiten, ergänzt und erweitert um kleine Zettel. Erst mit dem Computer und seiner Möglichkeit des Text- und Fußnoteneinfügens trat eine spürbare Erleichterung der Lesbarkeit seiner Schrift ein.

Gerade im Kreise seiner Familie fand Siegfried Hofmann Unterstützung und Förderung bei der Einführung dieser neuen Technologie. Die Familie war ihm immer sein Anker- und Mittelpunkt, trotz der vielen Verpflichtungen, die er als Kulturreferent zumal zu bewältigen hatte. Seine Frau und seine vier Töchter unterstützten ihn mit großer Geduld und großem Verständnis.

Ein langes und erfülltes Leben hat Siegfried Hofmann durchschritten, voller Höhen und Tiefen. Er konnte mitleiden und mitempfinden, wenn Unrecht oder Unbill geschah. Er konnte aufbrausen und schneidend formulieren. Wie kaum ein anderer lebte er sein Engagement in einem weiten Radius kompetent und eloquent und zeitaufwändig - alles im Bewusstsein, für die Erkenntnis und das Verständnis des Menschen und seiner Geschichte tätig zu sein.


Beatrix Schönewald

 

Bibliographie Siegfried Hofmann

Referat von Siegfried Hofmann zu "Erfahrungen und Tendenzen zur Tätigkeit des Diözesanrates", 1991: Teil 1 / Teil 2